Auf den Spuren von Astrid Lindgren

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Die Michel-Tour

Der Campingplatz in Gamleby hat Raffaels vollste Sympathy. Zugegeben die sanitären Anlagen sind gepflegt, und es ist ruhig und eigentlich auch gemütlich. Für mich sind es halt zu viele sichtbare Menschen, aber das hat nichts zu bedeuten. Das weiß jeder, der mich kennt. Also kurz und gut es war eine gute Fügung des Schicksals. Und unsere nächsten Ziele sind auch alle in erreichbarer Nähe. Nämlich auf den Spuren Astrid Lindgrens und ihrer Protagonisten zu pirschen. Zudem haben wir einen netten Platz ergattert – mit der Nr 42, das wird die Nerdies amüsieren. Der Platz liegt auf einem kleinen Plateau mit Blick auf die Bucht, und über zwei Reihen anderer Camper. Das ist insbesondere amüsant, da es auf Campingplätzen ein tägliches Kommen und Gehen gibt, und wir somit ein extra Unterhaltungsprogramm haben. Aber auch mit den Campern, die da sind. Wir sitzen vorm Qek, schauen interessiert dem Treiben zu, und ab uns zu gibts auch mal einen Kommentar. Genau, wer jetzt Waldorf und Stadtler (Muppets, ihr wisst schon) im Kopf hat, hat genau meinen Gedanken erfasst.


So, und unterstrichen mit einem gereiften Whiskey, kann der Abend genussvoll ausklingen. Und weil es hier so schön und unterhaltsam ist, und auch das Wetter mitspielt haben wir uns entschlossen hier auch gerade das ganze Wochenende zu verbringen, und erst Dienstag weiter zu fahren. Das gibt uns auch genug Zeit unsere Mission zu erfüllen, die Sonntags damit begann auf den Spuren von Michel von Lönneberga zu wandeln. Bzw. den Schauplätzen des Films.
Michel, die echten Fans werden es wissen, heißt im Original Emil. Dass er im Original nicht Michel heißt wusste ich zwar, aber ich vergesse immer den original Namen. Aber hier gibt es ja nur Emil. Im Film kommt des öfteren die Stadt Mariannelund vor, die es auch in Wirklichkeit gibt, und genau die war unser erstes Ziel. Bereits außerhalb der Stadt wird man auf die einstigen Filmtätigkeiten aufmerksam gemacht. Denn ca. 1 km vor der Stadt gibt es eine Ausstellung zu den Astrid Lindgren Filmen. Tatsächlich spielt Michel (Emil) hier gar keine so große Rolle. Es gibt original Filmset Nachbauten zu Ronja Räubertochter, Ferien auf Saltkrokan, Pippi Langstrumpf, Michel von Lönneberga und Die Kinder von Bullerbü. Außerdem noch original Filmrequisiten und Ausrüstung, und Infos von den Beteiligten der Dreharbeiten. Und eine Etage höher gibt es ein paar technische Spielereien. Man kann Filmlieder-Karaoke singen, einen Film selber zusammenschneiden, es gibt verschiedene Filmquize und, was ganz witzig ist, zwei Digital-Räume. Wenn man in die Räume geht wird man von einer Digitalkamera erfasst, und in eine animierte Filmszene eingebunden.
Das war ganz nett, aber ihr wisst ja was nett bedeutet … alles in allem finde ich die Requisiten und das was geboten wird für 17 EUR zu mager, und man sollte sich den Besuch genau überlegen.
Mariannelund selber präsentierte sich uns auf den ersten Blick – und das war mein tatsächlicher Gedanke – schäbig. Zuerst dachte ich noch, wir seien vielleicht früh an, oder weil Sonntag ist. Aber bei genauer Betrachtung waren tatsächlich viele Läden geschlossen. Und ich meine nicht nur weil Sonntag ist, sondern so richtig geschlossen, mit zugeklebten Fensterscheiben und „zu verkaufen“ oder „zu vermieten“ Schildern. Auch sonst machte der Ort einen eher unbelebten Eindruck. Im Zentrum gibt es einen kleinen Park, der noch ein bisschen schön ist, und daneben auch tatsächlich ein offenes Cafe, das dazu auch noch einladend aussieht.

Dort genehmigten wir uns dann auch gleich eine Fika, und fanden einen Prospekt, in dem die einzelnen Filmstationen markiert waren. Die in Mariannelund mit Adresse, die außerhalb mit GPS-Koordinaten.
Gleich nach unserer kleinen Pause machten wir uns dann auch prompt daran jede Station anzufahren. Das brachte allerdings auch wieder etwas Ernüchterung. Der einzige Pluspunkt war, dass an den Punkten eine Hinweistafel stand, mit Erklärungen auf Schwedisch, Englisch und Deutsch.

Aber die ehemaligen Filmszenen sind heute privat genutzte Räume, und anscheinend hat noch niemand daran gedacht die Filmszenen noch mal nachzustellen, und so mehr Touristen nach Mariannelund zu locken. Hier zum Beispiel eine Scheune, in der im Michel-Film das Armenhaus gedreht wurde.

So begnügten wir uns damit, die Punkte anzufahren und ein Bild zu machen, der Vollständigkeit halber – Bullerbü konnte man nach den Koordinaten allerdings nicht finden, die sind falsch im Prospekt angegeben; aber es ist zusätzlich ausgeschildert.


Eine ganz andere Nummer war dann doch schon der Katthult-Hof.

Mit 5 EUR Eintritt ganz erschwinglich wird dort doch einiges geboten. Zwar wird das Haupthaus von der Betreiberfamilie bewohnt. Aber ansonsten ist das ganze Grundstück begehbar, und es gibt zu den einzelnen Station ausgiebig Informationen. Man kann Alfreds Wohnung besichtigen,


erahnen welche Qualen Michels Vater hatte, als er durch das Fenster der Toillette klettern wollte,

und auch in den Schuppen gehen, in dem Michel viele Männchen geschnitzt hat.


Es gibt natürlich Souvenirs und Snacks, und für 2 EUR extra kann man mit der Pferdekutsche eine Runde über das Gehöft drehen. Hier hatte man zum ersten mal das Gefühl, dass sich jemand Gedanken gemacht hat, und dass man etwas bekommt für sein Geld.

Dann stand noch Bullerbü auf dem Programm, dass wir nach Koordinaten nicht finden konnten, da die falsch auf dem Prospekt stehen. Aber auf dem Weg nach Mariannelund stand ein Schild nach Bullerbü (eigentlich Sevedstorp, das ist der richtige Name der Höfe), das wir jetzt wieder suchten. Und auch gleich fanden. Allerdings hatte es mittlerweile angefangen zu regnen. Und da auch dort wieder alles privat war machten wir nur ein paar schlechte Bilder aus dem Auto und beendeten unsere Michel-Safari für diesen Tag. Wir legten neue Hoffnung in den nächsten Tag, dann war Vimmerby, und somit das Leben Astrid Lindgrens auf dem Programm.
An diesem Abend schauten wir uns noch Västervik an. Vor allem in der Hoffnung ein Aalgericht zu finden. Räucher-Aal soll eine Spezialität an der Küste sein, und vor allem im August serviert werden.
Im Zentrum von Västervik fanden wir schnell Restaurants. Allerdings hatte keines Aal auf der Karte. Dazu kam, dass die meisten eher den Eindruck von Touri-Nepp-Schuppen machten. An einer Ecke fanden wir dann schließlich einen Burger-Laden, der noch mit den ehrlichsten Eindruck machte. Also beschlossen wir dem eine Chance zu geben. Und es war eine gute Wahl. Als wir rein kamen war zwar alles besetzt, und draußen noch die Tische und Stühle vom Regen vorher nass. Aber gerade als wir die Burger bestellten ist eine Familie aufgestanden, und wir bekamen einen hervorragenden Platz am Fenster mit Blick auf den Hafen.
Unter den Strengen Augen von John Wayne durfte ich dann meinen Burger genießen, der auch endlich mal ein echter Burger war. Nicht wie das Ding, was ich zu Beginn unserer Reise mal in einem Sybilla-Laden bekam.


Und damit war der Tag ganz beendet und wir konnten uns wohl genährt ins Bettchen fallen lassen.

Astrid Lindgren

Nach den Ernüchterungen des Vortags stand nun ja die Erkundung Vimmerbys und damit des Lebensweges Astrid Lindgrens an. Das erste was einem ins Auge springt, wenn man sich Vimmerby nähert, sind Schilder mit Hinweisen auf „Astrid Lindgrens Welt“. Ein Vergnügungspark, bei dem sich alles um die Geschichten Astrid Lindgrens drehen soll. Für mich sind ja Vergnügungsparks nichts, aber ich hatte trotzden die Hoffnung, dass es vielleicht noch ein paar Infos zu Astrid Lindgren, oder zu den Geschichten geben könnte.
Die 5 EUR fürs parken juckten uns erst mal nicht, das war ja was ganz normales. Als mir aber die Tragweite eines Vergnügungsparkbesuches bewusst wurde begann ich doch schon etwas zu zögern. An der Kasse offenbarte uns dann, dass der Eintritt für Erwachsene 40 EUR, für Kinder 30 EUR beträgt. Mit einem Blick auf die Menschenmassen, und der Tatsache, dass wir die einzigen Besucher waren, die keine Kinder dabei hatten, brachte ich meine Zweifel an, ob wir tatsächlich 40 EUR pro Person für diese klebrig süße bunte Touripampe ausgeben sollten. Aber Raffael ließ sich nicht beirren. Und da er, was touristische Attraktionen betrifft, bis jetzt fast immer einen guten Riecher hatte lies ich mich mal auf die Herausforderung ein. Schon beim rein gehen bereute ich meine Entscheidung allerdings sofort wieder. Zu viele Menschen zu wenig Rückzugsorte und gar nichts, was mich anlockte. Nichtsdestotrotz suchten wir gleich die Villa Kunterbunt und wurden auch schnell fündig. Doch was wir fanden war nicht der Nachbau der Filmrequisite, sondern eine Nachahmung aus der Erzählung. Außerdem war es eine Bühne, auf der im Stundentakt Vorführungen statt fanden. Aber allein die schiere Masse an Menschen lähmte mich und hinderte mich daran auch nur einen Schritt weiter zu machen. Ich sagte Raffael, dass ich genug gesehen hätte, und das mir eigentlich auch schon zu viel wäre. Und dass ich wohl lieber raus gehe, um mich ein bisschen in der Stadt herum zu treiben, bis er fertig ist mit dem Park. Raffael machte sich gleich mal auf um in die Villa Kunterbunt herein zu gehen. Offensichtlich konnte man sich die zwischen den Vorstellungen anschauen.

Wie auch immer, ich sah Raffael rein gehen. Aber nicht mehr raus kommen. Da stand ich jetzt, inmitten gefühlter 400000 Familien, und wollte nur noch raus. Verzweifelt versuchte ich Raffael zu finden, da ich ihm gerne Bescheid sagen wollte, aber mein Telefon im Auto hatte liegen lassen. Aber kein Raffael weit und breit. Zur Villa runter wollte ich nicht, also wartete ich bis die nächste Vorstellung anfing, denn dann musste er doch wieder dort raus kommen. Aber nichts km. Offensichtlich hatte ich ihn verpasst. Die Bühne leerte sich, es kamen immer mehr Familien, und die Show begann. Das war dann zu viel für mich, und ich beschloss einfach zu gehen.
Draußen überlegte ich mir dann evtl. den Autoschlüssel an der Kasse abzugeben, und dann Raffael anzurufen, und ihm zu sagen, dass er sich den Schlüssel abholen kann. Dann fiel mir auf, dass ich ihn ja auch anrufen kann, und ihm dann sage er soll zum Ausgang kommen, da könnte ich ihm den Schlüssel geben.
Am Auto sah ich dann, dass Raffael mittlerweile bereits selber angerufen hatte. Was mich schon verwunderte, da er ja wusste, dass ich mein Telefon im Auto liegen gelassen hatte. Aber das war ja egal, also rief ich ihn an. Raffael meinte dann, dass er sich ein bisschen umgeschaut hätte, und den Park auch für Schrott hält, und sich dachte, dass ich wahrscheinlich schon draußen wäre. Er würde auch gleich kommen, dann könnten wir zur nächsten Station.
Also ging ich zum Ausgang, und wartete bis Raffael kam. Dabei machte ich mir so meine Gedanken, und musste fest stellen was für eine Abzocke von Familien Hier im Namen Astrid Lindgrens betrieben wird. Viele Familien haben um die vier Kinder. Zwei Erwachsene und vier Kinder, das kostet die Familienreisekasse runde 200 EUR, und dann gibt es im Park natürlich noch massenweise weitere kostenpflichtig Angebote. Und soweit wir das jetzt überblicken konnten gibt es eigentlich nur Shows, keine Fahrgeschäfte. Und was ich noch mal prüfen muss: wenn die Shows nur auf schwedisch sind, dann ist das doppelt blöd für nicht schwedische Familien. Und es gibt z.B. sehr viele deutsche Familien. Was sollen denn die Kinder damit anfangen. Dazu kommt, dass man einen zusätzlich riesigen Verwaltungsaufwand hat, um alle Shows zu sehen. Da wurde mir auch klar, warum es auch noch zwei- bzw. dreitages Karten gibt. Wie auch immer, hierhin bekommen mich keine zehn Pferde mehr.
Bald kam dann auch Raffael, und es ging weiter zu Astrid Lindgrens Näs. Näs ist der Name des Hofes, den der Vater von Astrid Lindgren bewirtschaftet hat, und auf dem Sie und ihre Geschwister aufwachsen durften. Dort gab es dann natürlich auch eine Ausstellung, und man konnte das Elternhaus von Astrid Lindgren besichtigen.

Allerdings wird das Anwesen noch von den Nichten von Astrid Lindgren – und teilweise auch von ihrer Tochter – genutzt, so dass man nur bedingten Einblick bekommt. Allerdings sind die wichtigsten Räume des Hauses von Astrid Lindgren selber noch mal in den ursprünglichen Zustand zu ihrer Kindheit gebracht worden, und könne besichtigt werden. Das ist etwas, was ich sehr inspirierend finde. Wir hatten dazu noch eine deutschsprachige Führung, und die Dame malte mit viel Herzblut und Engagement die Kindheit von Astrid Lindgren, so dass man fast die kleine Astrid über die Betten und Schränke ihrem Bruder Gunnar hinter klettern sehen konnte, oder wie sie durch Küche und Wohnzimmer im Kreis rannten und „picke-picke-huh“ spielten.
In der Ausstellung gab es dann noch mehr Infos zu Astrid Lindgren, und ihrem Einsatz für Kinder und Tiere.

Und auf dem gesamten Anwesen konnte man die Aura Astrid Lindgrens spüren.


Näs war wohl das Highlight unserer Astrid Lindgren Tour. Dicht gefolgt vom Katthult-Hof. Mariannelund und Bullerbü kann man der Vollständigkeit halber abfahren. Wobei Bullerbü, bzw. Sevedstorp, nicht nur die Filmkulisse ist, sondern tatsächlich auch das Elternhaus des Vaters von Astrid Lindgren ist. Ansonsten lohnt sich fast nichts anzusehen, insbesondere die Barnfilmbyn-Sachen sind nach meiner Ansicht reine Geldmacherei. Astrid Lindgren würde sich wahrscheinlich im Grab herum drehen, wenn sie wüsste wie den Familien hier die Taschen geleert werden in ihrem Namen. Schade finde ich, dass auch Näs seit ein paar Jahren von diesem Unternehmen vereinnahmt wurde. Meine Hoffnung ist, dass wenigstens die Menschen in Vimmerby und Umgebung dadurch gutes Geld verdienen.
Die ganzen Aktionen hatten uns nun genug angestrengt, und wir entschlossen uns gleich wieder auf zum Campingplatz zu machen, um was zu futtern, und dann den Rest des Tages ganz gemütlich auf unserer Empore mit der Betrachtung des echten Lebens ausklingen zu lassen.