Abschied von Gotland

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Den letzten Tag auf Gotland mussten wir ja mit Bedacht angehen, und wir durften uns nicht zu sehr verausgaben. Vor uns lag eine lange Nacht, die unter Umständen noch Herausforderungen mit sich bringen könnte. Denn als wir die Passage gebucht haben hatten wir wieder eine ähnliche Diskussion am Ticketschalter wie gleich nach der Ankunft, als wir uns nach einer Rückfahrt informieren wollten. Wobei wir uns im Nachhinein gar nicht mehr ganz sicher sind, ob es es nicht sogar ein bewusstes Verständnisproblem war, wie wir später noch sehen werden.
Nach einer angenehmen Erkundung des Nordteils von Gotland hatten wir es uns dann auf dem Campingplatz erst mal gemütlich gemacht, und uns noch ein bisschen ausgeruht. Abends gönnten wir uns noch ein Abschiedsessen in der Trattoria gleich neben dem Campingplatz, die sich als ausgesprochenes Schlemmerlokal entpuppte. Zuerst dachten wir ja, bei den Preisen, es sei ein Touri-Nepp-Schuppen. Und das stand ganz im Gegensatz zu dem was wir bisher auf der Insel erlebt hatten. Denn zu meinem Erstaunen waren die Preise auf Gotland durchweg gut, um nicht zu sagen günstig. Sogar Diesel kostete gleich viel, es könnte sein sogar weniger, als auf dem Festland. Als das Essen kam, und wir hatten bereits andere Speisen aus der Küche kommen sehen, konnten wir die Preise nachvollziehen. Es war einfach sehr gutes Essen. Außerdem gab es sogar ein Amusegeuile, bei dem man sich am Buffett an selbst gebackenem Brot und – das war interessant – Krautsalat delektieren konnte. Raffael konnte seine Gelüste auf Pizza vollends ausleben. Für mich gab es einen Salat mit perfekt auf den Punkt gebrachter Rinderhüfte.

Und satt wurden wir auch! Mit zufriedenem Gaumen und gestärktem Körper ging es dann zurück zum Wohnwagen, um alles für den Aufbruch vorzubereiten und noch ein bisschen zu ruhen. Dann noch eine Dusche, und es war schon fast Zeit sich langsam auf den Weg zu machen. Wir wollten so zeitig wie möglich am Hafen sein, um eventuelle Schwierigkeiten noch rechtzeitig aus dem Weg schaffen zu können.
Punkt Mitternacht war es dann soweit. Wir waren frisch geschniegelt und Auto und Wohnwagen standen bereit zur Abfahrt, und da es nichts mehr gab worauf es sich zu warten lohnte zogen wir los. Diesmal dachten wir auch daran die Chipkarten und den Schlüssel an der Rezeption einzuwerfen. Und mit bestem Gewissen und Siegessicherheit bogen wir auf die Straße nach Visby.
Am Hafen standen dann auch bereits einige Fahrzeuge, und es hatten sich zwei Schlangen gebildet. Eine ohne und eine mit Anhänger bzw. Wohnmobile. Die Logik dahinter erkannten wir nicht, da wir keinen Hinweis sahen, ob man sich bereits irgendwie einteilen sollte. Aber da die Schlange der Anhänger/Wohnmobile kürzer war, und um nicht irgendwas verbummelt zu haben, stellten wir uns auch einfach dahinter. Auf jeden Fall war die Schlange vor einem Tor zur richtigen Fähre.
Unsere Hoffnung, dass der Check In evtl. bereits begonnen haben konnte wurde leider nicht erfüllt. Nichtsdestotrotz hatten wir auf jeden Fall unser Ziel erreicht, sehr weit vorne in der Schlange zu stehen. Was, wie wir nun wissen, aber so was von überhaupt keinen Einfluss darauf hat, ob man später schneller auf die Fähre kommt oder einen guten Platz bekommt.
Aber der Reihe nach. Unser Ziel war es ja möglichst zeitig ein zu checken, um noch Spielraum zu haben falls es Schwierigkeiten gibt. Und so warteten wir. Und warteten. Um 3:30 h sollte die Fähre ablegen, und 2 Stunden vorher sollte der CheckIn beginnen. Auch zehn Minuten vor dem offiziellen Check In tat sich noch nichts an den Toren. Aber wir hatten ja damit gerechnet, dass es durchaus sein kann, dass nicht frühzeitig mit dem CheckIn begonnen wird. Man kann ja nicht immer so ein Glück haben wie bei der Überfahrt nach Göteborg, als wir bereits zwei Stunden vor dem offiziellen CheckIn auf die Fähre konnten. Aber auch zehn Minuten nach der offiziellen CheckIn Uhrzeit tat sich noch nichts. Mittlerweile war eine Fähre eingelaufen, und mit Entsetzen beobachteten wir, wie Autos heraus fuhren und Container ausgeladen wurden. Wenn das die Fähre war würde es noch eine Stunde dauern, bis der CheckIn beginnen konnte. Und das würde bedeuten, dass die Nacht noch länger werden würde als geplant. Und wir hatten eigentlich gehofft flott auf die Fähre zu kommen, und so noch mehr als die 3 Stunden Überfahrt geschlafen zu bekommen. Denn nach Ankunft hieß es gleich weiter fahren und einen Campingplatz finden, bevor wir wieder Ruhe finden konnten. So warteten wir und übten uns in Geduld.
Um 2:00 h – eine halbe Stunden nach dem offiziellen Zeitpunkt für den Check In ging es dann doch endlich los. Eine weitere, größere Fähre war eingelaufen, und stand auch dort wo wir es erwartet hätte. Und die war auch leer. Auto für Auto und Camper für Camper passierten nun die Tore, und ca. 10 min später waren auch wir am CheckIn. Die Dame am CheckIn schnappte sich die Unterlagen tippte am Computer, stutzte ein bisschen, und fragte uns warum wir eine Passage für ein Wohnmobil hätten; aber würden mit einem Auto mit Anhänger vorfahren. Oder zumindest dachte ich das verstanden zu haben. Aber da ich auf dem Beifahrersitz saß kann es auch sein, dass ich alles nicht so gut verstand. Wie auch immer ich deutete an, dass wir ohnehin unglücklich wären, dass wir der Dame am Ticketschalter dreimal unser Gespann hätten erklären müssen, und sie es scheinbar dann immer noch nicht verstanden hatte. Die Bemerkung vielleicht besser keine Schulabbrecher am Ticketschalter zu beschäftigen verkniff ich mir zum Glück, und war ohnehin nur der späten Stunde und unserer verzwickten Situation geschuldet. Wie auch immer hatten wir nun unsere Herausforderung, welche allerdings die Dame am Schalter nun zu meistern hatte. Sie telefonierte ein bisschen rum. Tippte ein bisschen was in den Computer. Verlor ihre Gesichtszüge, fand sie wieder. Und hatte dann eine Lösung für uns. Na wer sagts denn, das Karma hatte uns mal wieder voll im Griff. Sie hatte das Ticket umgebucht auf ein Auto mit Anhänger und faselte was von Refund, und wir könnten das entweder morgen in Visby klären – da die Schalter bereits alle geschlossen waren -, oder wir nehmen die Fähre und klären das in Nynäsby. Was für eine vollkommen überflüssig Bemerkung. Natürlich wollten wir das nicht am nächsten Morgen in Visby klären. Wir schnappten das Ticket und machten uns auf in Richtung Fähre. Und konnten es noch nicht ganz fassen. Zwei Tage zuvor gab es noch keine Hoffnung früher als Mittwochs zurück aufs Festland zu kommen. Und nun, wie in unserem Zeitplan vorgesehen – waren wir wieder im Spiel. Karma lass dich knuddeln.
Und nun wie versprochen die Erklärung warum mehr als rechtzeitig am CheckIn sein für den endgültigen Standplatz oder die Hoffnung schnell auf die Fähre zu kommen keine Rolle spielt. An der Zufahrt zur Fähre gibt es zwanzig oder so Bahnen, in die die Fahrzeuge – offensichtlich nach Größe oder Typ sortiert – geleitet werden. Dort steht man dann, und vor den Bahnen regeln Arbeiter welche Fahrzeuge fahren dürfen. Und zuerst fuhren nur PKWs ohne Anhänger. Sie fuhren und fuhren und fuhren. Und wir dachten schon: OK, früh da sein bringt aber auch so was von gar nichts. Ab und an wurden auch Wohnmobile und PKW mit Anhänger fahren gelassen. Aber die Reihenfolge der Ankunft hatte durch das Verteilen auf die Bahnen mittlerweile sowieso auch keine Relevanz mehr. Aber wir hatten ja Geduld, und im Moment waren wir nur froh, dass alles geklappt hatte, und wir auf der Zielgeraden waren. Sonst war ohnehin alles egal. Dann ging es auch für uns weiter. Und egal was die ganze Zeit war, und wie viele Autos schon rein gefahren waren – vielleicht wurde auch die frühe Ankunft honoriert, wer weiß – endgültig hatten wir dann doch einen sehr guten Platz, nicht ganz vorne, aber schon sehr weit vorne, und es gab keinen Grund sich zu beklagen.
Ermüdet und ernüchtert machten wir uns auf den Weg an Deck, um wenigstens noch jede erreichbare Minute Schlaf mit zu nehmen. Da fiel uns auf, dass wir, im Gegensatz zur ersten Fahrt, diesmal keine Bordkarten hatten. Bei der ersten Fahrt gab es aber so viele freie Plätze, dass wir uns dachten, da wird es sicher keine Probleme geben. An Deck angekommen fiel mir zuerst auf, dass es neben den bequemen Reisesitze, die wir schon von der Hinfahrt kannten, auch gewöhnliche Tische und Stühle und Bänke wie in einer Cafeteria gab. Dazu gab es einige Reisende, die sich auf den Bänken bereits zum Schlafen eingerichtet hatten, oder auf dem Boden. So dass mir bei dem Gedanken mich einfach auf einen Platz zu setzen nicht ganz so wohl war. Zumal auch viele Reisende suchend durch die Reihen der Reisesitze gingen. Also suchten wir die Information und ich fragte wie es mit den Sitzen wäre, beim letzten mal hätten wir Bordkarten gehabt. Der Stewarte macht mich freundlich (also wirklich, sehr zuvorkommend) auf den Eintrag auf unserem Ticket aufmerksam, wo stand „2 Plätze Economy“. Und Erklärte Economy seien die Tische, Stühle und Bänke – und ich ergänzte im Geiste: und der Boden. Also fragte ich wie das mit den Reisesitzen wäre. Und er erklärte mir, dass die extra gebucht werden müssen. Aber man könne upgraden. Normalerweise – aber leider seien alle Sitze ausgebucht. Außer im Vorderdeck, aber die Sitzen kosten doppelt so viel wie die normalen Reisesitze, und zwar 160 Kronen (also ca. 16 EUR). Mir war das egal, ich hatte nur noch Panik vor einer Nacht ohne Schlaf am Tisch sitzend, und morgens mit einer Laune wie nach Waterloo die Reise fort zu setzen. Also sagte ich: Klar nehme ich so einen Sitz. Aber Raffael fand das übertrieben und war nicht so erbaut von den teuren Sitzen. Als ich mir trotzdem einen Sitz holen wollte grummelte er ein bisschen und wollte doch mit machen. Da sagte der Stewart er sehe gerade er habe noch zwei normale Sitze, falls es uns nicht ausmacht, dass die nicht nebeneinander sind. Und schon wieder so eine überflüssige Bemerkung. Was interessierte uns, dass die nebeneinander sind. Wir wollten schlafen, und nicht Schach spielen. Wie sich heraus stellte lagen die Sitze genau hintereinander, so dass wir uns auch nicht aus den Augen verlieren würden. Endlich alles geregelt konnten wir uns erleichtert in gut gepolsterte Leder-Reisesessel plumpsen lassen und ruhen. Und Dank meiner Augenmaske, und den mit gelieferten Ohrenstöpseln, entwich ich der Realität aus Dieselmotoren und geschäftigem Treiben, und konnte sogar ein bisschen Schlafen. Etwas das mir bei Flügen oder Busfahrten selten gelingt.
Nicht wirklich ausgeschlafen – wie auch bei drei Stunden – aber wenigstens nicht vollkommen geplättet – wurde ich dann morgens aus dem Schlaf gerissen, als meine Sitznachbarin aufstand. Kurz darauf kam dann auch die Durchsage, dass wir in 10 Minuten anlegen. Gerade genug Zeit um wach zu werden. Raffael war auch schon auf den Beinen, und langsam machten wir uns auf den Weg zum Treppenhaus. Diesmal war etwas mehr Gedränge als bei der ersten Fahrt. Aber nach dem Öffnen der Autodecks ging doch alles ganz geregelt, und wir waren ruckizucki am Auto. Die Fähre öffnete sich, und wieder einmal waren wir bei den ersten die ausfahren konnten.
Immer noch im Glauben wir bekämen eine Erstattung fuhren wir dann erst mal zum Terminal. Dort fanden wir dann gleich einen offenen Schalter, und die Dame am Schalter sprach uns auf Deutsch an. Also erklärten wir ihr die ganze Geschichte, und dass wir irgendwie nicht richtig verstanden würden. Und sie schaute in ihren Computer und meinte dann wir hätten nicht ein Ticket für ein Wohnmobil, sondern für einen ganz gewöhnlichen PKW ohne Anhänger. Mitnichten bekämen wir eine Rückerstattung, sonder wir müssten viel mehr noch für den Anhänger nachzahlen. In dem Moment dachte ich: Verdammt hätten wir doch gar nicht erst nachgefragt. Aber den Gedanken zerstreute sie sogleich, indem sie sagte wir könnten dass auch jetzt gleich erledigen, ansonsten hätte Raffael sowieso eine Rechnung von der Fährengesellschaft nach Hause bekommen. Also war es dann doch ganz gut hin gegangen zu sein. So bezahlten wir den zusätzliche Betrag und alles war wieder in Butter.
Und nun überlegten wir uns, ob hier nicht das Karma wieder eine geschickte Trickserei eingefädelt hatte. Evtl. mit Hilfe einer gewitzten Dame am Schalter. Denn als wir gleich nach Ankunft auf Gotland nach einer Passage fragten hieß es alles ist ausgebucht – zumindest für PKW mit Anhänger. Auch bei unserem zweiten Besuch am Schalter bekamen wir die Auskunft. Allerdings fand diese Dame dann noch eine Fähre mitten in der Nacht. Aber ob wir das damals richtig verstanden hatten war uns nicht ganz klar. Denn zuerst hatten wir das so verstanden, dass die Fähre eigentlich auch ausgebucht wäre, und dann fragte uns die Dame was wir für ein Fahrzeug hätten. Und egal wie wir versuchten unser Gespann zu erklären, sie wollte partout immer nur verstehen, dass es sich um ein einzelnes Fahrzeug handelt. Vielleicht war das der Trick. Für einen PKW konnte sie uns noch ein Ticket verkaufen. Und wenn wir erst mal mitten in der Nacht am Check In stehen, und alle Schalter geschlossen, und kein Büro mehr besetzt ist, kann man uns ja kaum mehr weg schicken. Und genauso war es ja. Wir spekulierten noch ein bisschen darüber, dass ja definitiv ein Puffer eingeplant werden muss, da ja die tatsächliche Länge der Fahrzeuge nie ganz sicher bekannt ist. Das ist dann bestimmt der Platz, der dann mit Standby-Fahrzeugen gefüllt wird. Vielleicht konnten wir so einen Standby-Platz zum regulären Preis ergattern. Aber das ist alles Spekulation. Idiotenglück gepaart mit kompletter Verwirrung hat uns rechtzeitig von der Insel geholt, und darüber sind wir einfach nur froh.
Die Wege des Karmas genügend diskutiert machten wir uns dann an die Planung unserer weiteren Reise, und auf den Weg Richtung Vimmerby auf die Spuren von Astrid Lindgren.
Zuerst hatten wir einen Campingplatz sehr nahe an Vimmerby angepeilt. Sehr idyllisch und nicht so groß. Aber das war dann auch das Problem. Denn der war vollkommen ausgebucht. Also fuhren wir zur zweiten Wahl nach Gamleby. Der war nicht ausgeschildert, und vielleicht deswegen haben wir dann dort auch direkt einen Platz bekommen. Auf einem Plateau, mit Blick auf die Bucht, und gepflegten Servicehäusern, die schnell zu erreichen sind. Allerdings gibt es nur an der Rezeption Wlan, und da mein Handyvolumen schon wieder etwas geschröpft ist muss ich das nutzen, so dass die Berichte jetzt wieder eher sporadisch kommen.